Your frontal lobe looks good, always nice to bite into the curb

Immer wieder werden die Gegensätze von Utopie und Dystopie verhandelt. Die zeitliche Einordnung jener Begriffe bezieht sich mal auf zukünftige Vorstellungen des Seins, verortet sich retrospektiv in der Vergangenheit oder wird als gelebter Istzustand in Referenz zu zuvor Erdachtem beschrieben. Jene modellhaften Beschreibungen von Welt spiegeln die Sehnsüchte und Ängste des Menschen und haben sich seit der Industrialisierung stark mit Wissenschaft und der aus ihr hervorgehenden technischen Entwicklungen, sowie seit den 80er Jahren, mit dem Aufkommen des digitalen Zeitalters, verknüpft. Die vorherrschende Tendenz jener beiden Begrifflichkeiten scheint sich in den letzten Jahren immer mehr der Dystopie zugewannt zu haben und der technisch positivistischen Gedanke der noch solide bis in die 70er Jahre galt, wurde nach und nach mehr zersetzt unter den Auswirkungen der negativen Konsequenzen, welches das Vorantreiben jener Entwicklungen in sich birgt. Coltanminen und Menschen, die nichts zu essen haben, Müllhalden ohne Horizont etc., Menschen, die heulen, weil sie Falten auf der Stirn bekommen und der Benz in der Garage nicht mehr das neuste Modell ist und die Analsondentrackinuhr ihnen sagt, dass sie zu fett sind etc. … -Erzwungene und freiwillige Sklavenmentalität, und am Anfang und Ende dann doch wieder Krieg-. Eigentlich heulen alle nur, weil sie einsam sind und keiner hilft. Globale Verschränkungen lassen ein Unwissen um das Unrecht, welches in der Welt geschieht, nicht mehr zu. Mensch und Umwelt ächzten unter dem geplatzten Traum vom Freiheitsideal, das nicht dazu in der Lage war, die menschliche Natur mit ihrem Hunger nach Macht zu überwinden, getragen von Profitgier und Begehrlichkeiten. Die Alptraumhaften-Vorstellungen Orwells, Lems und anderer dystopischer Sci-Fi Autoren haben sich mehr und mehr in die Gegenwart eingeschrieben. Kontrollmechanismen habe zugenommen und die Freiheit des Seins im westlich urbanen Raum ist im Gestalten eines Grünstreifens steckengeblieben, im Vertilgen von Sojagranulat und der Verachtung des Jawurstessers der gestern noch für sie den Abfluss in der Küche reinigte. Der Leib der Ausgeburten des Digitalen vergnügt sich im Fitnessstudio oder Real-time-Survival-Games, unter der Sehnsucht jenen wahrnehmen zu können, jedoch ohne sich schmutzig zu machen, im ewigen Hoffen auf ein transhumanistisches sein. Was jedoch als Utopie bleibt, ist die Tatsache, dass durch die digitale Vernetzung Zugang zu Wissen geschaffen wurde, wodurch Minderheiten ihre Rechte stärken konnten und eine kollektive Verschränkung eine gesetzte Herrschaftsmoral hinterfragen kann. Zur Verhandlung der Menschenrechte ist es mitunter das wichtigste Werkzeug geworden. Der partizipative offene Gedanke des World Wide Web hat sich jedoch in weiten Bereichen längst zu einem Ort entwickelt, der den Regeln des Marktes folgt. Das Ideal des Open-Source Gedanken beugt sich oftmals der Profitorientierung und eine wichtige Frage der Gegenwart ist jene danach, wer die Kontrolle über Medien innehält und somit die Meinungs- und Interessensbildung sowie Investitionsbereitschaft einer globalen Welt formt. Gegenwärtige KI Entwicklungen erzeugen die Rekursionsschleifen, die wir verdient haben, in einer flachen glatten Welt voller Spiegel.

Die gezeigte Arbeit setzt sich somit nach der Frage von Machtentwicklung im technischen Fortschritt auseinander und welche Konsequenzen jenes hervorgebracht hat und täglich tut. In der Arbeit tauchen Elemente vergangener technischer Entwicklungen auf und formen surreale retrofuturistische Welten, um unter der Prämisse des Verstehens historischer Materialität ein Formulieren der Gegenwart zu ermöglichen. So zeigen sich in der Arbeit Radioröhren, Platinen und Parabolspiegel, Fotografien von visualisierten Messergebnissen auf Oszillatoren sowie Formeln aus dem Bereich der Atomphysik. Arithmetische Elemente wie Rechenwürfel und die fraktal beschriebenen Strukturen das Naturhaften in Seeigelskeletten, Akupunkturmodelle des menschlichen Körpers. Fragmente eines Spinnrades in Reminiszenz an den Beginn der Industrialisierung sowie Patronenhülsen, deren technische Beschaffenheit keine Zweideutigkeit in der Intension ihrer Entwicklung zulassen. Jene Elemente werden zu architektonischen, landschaftsbildenden Objekten zusammengefügt. Dioramische Modelle einer nichtexistenten Raumzeit. Zudem tauchen immer wieder Elemente des Wohnens in der Arbeit auf. Ausgediente Fragmente aus Kleiderschränken, Stuhlbeine, Schubladen. An jenen Objekten haftet die Alltäglichkeit von Existenz. Möbelstücke, welche ihre Form über die Jahrhunderte verändert haben, jedoch nicht ihre Dienlichkeit zur Erfüllung von Grundbedürfnissen wie Schlaf, Wärme, Essen, Geborgenheit. Jener Aura begleitet die Arbeit in ihrem Erkunden und konkretisiert sich im Auffinden von Briefen aus den beiden Weltkriegen und dem Erblicken von Fotografien innerhalb der Installation. Jene Fotografien referier in ihrer Auswahl von gezeigten Motiven sowohl auf repetitiven Figuren der Folktails, welche zu jedem Zeitpunkt der menschlichen Geschichtsschreibung immer wieder auftauchen, als auch auf die mediale Auseinandersetzung, zum Zeitraum des 2. Weltkriegs und die propagandistische Herangehensweise zu jener Zeit.

Die Konsequenz dieser Propaganda wird im dargebotenem Video aufgegriffen, welches kaleidoskopartig zusammengefügte, oder auf die Kleidung eines Models, eines Soldaten projizierte Fotografien, aus den beiden Weltkriegen, in einem an eine Waschmaschine erinnernden Objekt zeigt. Protagonisten stummfilmartig durch Deepfake zum Leben erweckt, etwas erzählen lässt. Stumme Geschichten von längst Vergessenem, welches das Schweigen hervorgebracht hat unter der Sehnsucht des Vergessens, der Interpretation des Betrachters überlassen, auf der Suche nach einer verifizierbaren Wahrheit die Emotion, Empathie und Wissenschaft auf die Probe stellt und Notwendigkeit der Aufarbeitung von Geschichte als Werkzeug zur Einordnung von Gegenwart anmahnt. Es verschränkt, wie auch in den anderen Objekten, Raum und Zeit, Gegenwart und Vergangenheit, irgendwo verhakt in der Idee von Quanten, wo sich dazwischen eine große dottergelbe Eizelle mischt, die den Ursprung des Seins im naturhaften verortet, und die Entwicklung von Persönlichkeit durch mediale Formung mit aufgreift, in dem sie in Zentrum das Blechspielzeug eines Radios ausweist. Vogelnester und Baumstämme verweisen in ihrer aufgefundenen Materialität auf das eingebettete Sein des Menschen in eine Umwelt, deren Existenz ohne sein Zutun existiert. Wuchernde, geschwürhafte Formen aus Bauschaum füllen den Raum, irgendwo zwischen unschuldiger Niedlichkeit und verschlingenden Auswüchsen daher-kommend. Wolkenartige, neuronale Formen ohne Antworten. -The cloud is based on …?- Malereien, die ins fantastische überschwappen und comicartig Kleinsttierchen aufblähen im Chaos einer schwarzen Suppe. Fragende, großgezogene Fotografien, die den Betrachter anschauen. Nachdenklich und vergnügt über die Installation blicken und den Irrsinn des menschlichen Treibens durch Lebendigkeit annehmen im Wissen um die eigentliche Endlichkeit. Ein kurzes Innehalten gebannt in einer Fotografie, die vermeintlich jene stoppte und nun doppelt durch die Konservierung im digitalen Archiv als 0 und 1, An und Aus, zu existieren. Die globalisierte Welt hat die Verschränkungen allen Seins deutlich zutage treten lassen und so orientiert sich auch jene Installation daran. Die Komplexität von Abläufen ist ernst zu nehmen und mit Weitsicht die Konsequenzen des Handelns zu erkennen, ist ein wichtiger Teil jener Arbeit, sowohl im Denken also auch in der Ausformung des Materiellen. Es ist eine Arbeit, welche anstrengen und herausfordern will, jedoch auch zum Spielen und Spazieren einlädt ohne zu behaupten eine Antwort zu finden. Ein großer Menschenmüllhaufen, der viel Zeit gefressen hat.

Courtesy for following images: Moritz Bernoully